Konfliktmanagement durch Baumediation

21.02.2015 - Uncategorized

Es ist Tatsache, dass der Bauvertrag mit sog. Langzeitcharakter nicht nur von dem Normengefüge des BGB, Sondergesetzen und der VOB/B bzw. HOAI bestimmt wird. Jedes Jahr werden unzählige gerichtliche Entscheidungen veröffentlicht, die von den am Bau Beteiligten zu beachten sind. Einen wasserdichten Vertrag gibt es gerade auch wegen der Fortentwicklung der Rechtsprechung nicht.

 

Darüber hinaus zeigt die Baurealität, dass in den seltenen Fällen weder zum Zeitpunkt der Vergabeverhandlungen von Planer und Baubeteiligten die Bauaufgabe vollständig beschrieben ist. Tatsächlich entwickelt fast jede Baumaßnahme entweder durch eine baubegleitende Planung oder durch Planungsänderungen eine Eigendynamik und führt im Regelfall zu späteren Diskussionen über die Erforderlichkeit, Angemessenheit und Vergütungspflicht von Nachträgen. Die Anforderungen an die Darlegungslast solcher Auswirkungen sind außerordentlich hoch und mit sehr hohen Kosten verbunden. Sie sind im Regelfall nicht mit dem gewünschten Erfolg gekrönt, obwohl die Mehrkosten auf der Hand liegen. Parteien, für die Begriffe wie Kooperationsgebot, Fairness, künftige Geschäftsbeziehungen keine leeren Worthülsen sind, denken zwangsläufig über alternative Streitregulierungsmodelle nach. Die Mediation bietet als Konfliktlösungsmodell eine alternative Möglichkeit zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Wird der Streit, die zu klärende Rechtsfrage oder planerische Umstände seziert – auch ggf. unter Hinzunahme von externen Experten –, können unter Mitwirkung des Mediators Denkblockaden beseitigt und neue Wege zur Konfliktbewältigung eröffnet werden. Da die Mediation zwar ein strukturiertes Verfahren, aber dennoch keineswegs ein starres Verfahren ist, kann der Mediator situationsbedingt flexibel reagieren ohne den Gesamtkontext des Verfahrens zu verlieren.
Das Mediationsverfahren besteht aus fünf Phasen, die kurz vorgestellt werden:

Phase 1: Erstgespräch bis Mediationsvertrag

Die erste Phase dient der Vorbereitung des Abschlusses der Verträge, zum anderen dem Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen Mediator und Medianten. Bevor der Konflikt inhaltlich aufgearbeitet wird, müssen Rahmenbedingungen festgelegt werden. Der Mediatorvertrag und die Mediationsvereinbarung müssen ausgehandelt werden.

Phase 2: Themen- und Informationssammlung

In der zweiten Phase werden alle relevanten Informationen zusammengetragen und die zu behandelnden Themen herausgefiltert. Der Sachverhalt ist exakt zu ermitteln.

Phase 3: Interessen- und Bedürfnisermittlung

Die dritte Phase dient der Ermittlung der hinter den Positionen der Medianten stehenden Interessen und Bedürfnisse.

Phase 4: Kreativsuche und Lösungsfindung

In der vierten Phase entwickeln die Medianten zukunftsorientierte Möglichkeiten, die bei der Lösung des Problems unterstützen. Die Suche nach Lösungsansätzen erfolgt auf der Basis der erforschten Interessen und Bedürfnisse.

Phase 5: Gesamtlösung und Abschlussvereinbarung

Die entwickelten Teillösungen werden zu einer Gesamtlösung zusammengeführt. Dies erfolgt durch die gemeinsame Bewertung und Konkretisierung der einzelnen Lösungsvorschläge. Die Gesamtlösung wird in einer Abschlussvereinbarung niedergelegt. Mit der Unterzeichnung der Abschlussvereinbarung ist das Mediationsverfahren abgeschlossen.

II. Zusammenfassung: Vor- und Nachteile der Mediation

1. Vorteile

a. Kostenersparnis
Die Mediation ist kostengünstiger als ein Gerichtsprozess. Die Höhe des Streitwerts spielt keine Rolle. Die Mediation führt regelmäßig zu einer Wertschöpfung. Daneben müssen sich die Parteien darüber im Klaren sein, was ihnen die Vertraulichkeit und der Erhalt der Geschäftsbeziehungen wert sind.
b. Zeitersparnis
Die Mediation erbringt eine erhebliche Zeitersparnis. Schon zwei bis drei Monaten nach Verfahrenseinleitung ist es absehbar, ob sich die Parteien einigen. Während das Verfahren vor den Landgerichten durchschnittlich 6,7 Monate, das Berufungsverfahren vor dem OLG noch einmal 8,5 Monate dauert, ist ein Mediationsverfahren innerhalb weniger Monate abgeschlossen. Das Ergebnis wird auch nicht von einer zweiten Instanz überprüft. Wesentliche Umstände für die Zeitersparnis sind der Wegfall des Austauschs von Schriftsätzen sowie der Terminierung durch das Gericht. Der Mediator steht i.d.R. sofort zur Verfügung, sodass eine zeitnahe Terminierung möglich ist.
c. Vertraulichkeit und Erhalt der Geschäftsbeziehungen
Die Vertraulichkeit des Verfahrens, durch § 4 Mediationsgesetz geschützt, ist ein großer Vorteil. Außerdem wird durch eine Mediation die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Geschäftsbeziehungen erhalten und fortgeführt werden können.
d. Niedrigere Eintrittsschwelle
Um das Verhältnis zu dem jeweiligen Vertragspartner nicht komplett zu zerstören, scheuen viele den Gang vor staatliche Gerichte. Die Mediation als Vermittlungsverfahren ist in solchen Situationen einfacher einzuleiten. Sie indiziert, dass der Mediant zu einer außergerichtlichen und einvernehmlichen Lösung bereit ist.
e. Innovationskraft der Mediation und höhere Verfahrenszufriedenheit
Eine Mediation kann im Gegensatz zu einem rechts- und rechtsfolgenfixierten Gerichtsprozess, bei dem es nur um die Verteilung von Geld geht, kreative Lösungen hervorbringen. Die Parteien erarbeiten die Lösung selbständig. Sie nehmen aktiv am Verfahren teil. Die Partizipation an einem neutralen Verfahren erhöht das Gefühl der Fairness, was wieder zu einer höheren Akzeptanz des Ergebnisses führt.
f. Besondere Sachkunde des neutralen Dritten
Die Entscheidung, wer Mediator im Verfahren sein soll, treffen die Parteien. Sie können selbst festlegen, welche besonderen Voraussetzungen der Mediator benötigt.

2. Nachteile

Wenige Nachteile stehen der Mediation gegenüber.
a. Fehlende Garantie der Streitbeilegung
Die Parteien erhalten anders als bei Gerichtsverfahren keine Gewähr, dass durch die Mediation der Streit endgültig aus der Welt geschafft wird. Die Gefahr, dass eine Mediation nicht zu einer Einigung führt ist allerdings nicht besonders gravierend. Nur 1/3 der Mediationsverfahren sind erfolglos.
b. Verhandlungsstärke und Machtungleichgewicht
Die Streitparteien sind unterschiedlich versiert, rhetorisch veranlagt, durchsetzungsstark und finanziell ausgestattet. Es besteht daher regelmäßig ein Machtungleichgewicht, das in einem Gerichtsprozess durch den Anwaltszwang in Verfahren vor den Landgerichten, die richterliche Hinweispflicht etc. ausgeglichen wird. Der Mediator kann aufgrund des Neutralitätsgrundsatzes nur bedingt Unterschiede in der Verhandlungsstärke ausgleichen.
c. Strategischer Missbrauch
Die Mediation kann von den Streitbeteiligten in strategischer Weise missbraucht werden. So kann das Verfahren als Verschleppungstaktik verwendet werden. Schließlich kann eine Partei darauf hoffen, im Mediationsverfahren an Informationen zu gelangen, die sie in einem Folgeprozess verwenden kann. Durch § 4 Mediationsgesetz ist dieses Risiko zwar stark eingedämmt geworden, besteht aber noch in gewissen Teilen fort. So können einmal erhaltene Informationen in einem Rechtsstreit in strategische Überlegungen einbezogen werden, z.B. Kenntnis von Liquiditätsproblemen der anderen Partei.
d. Keine sofortige Regelung
Obwohl die Mediation schneller als ein Gerichtsprozess abgeschlossen wird, können keine Eilentscheidungen getroffen werden.
e. Keine Bindungswirkung für Dritte
Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass es in Mediationsverfahren keine Streitverkündung gibt, so dass Dritte nicht einfach einbezogen werden können. Mediationsvereinbarungen haben keine präjudizielle Bedeutung im Verhältnis zu Dritten.
Das Ergebnis einer Mediation kann außerdem einem Dritten nicht entgegengehalten werden, auch wenn er entfernt am Streit beteiligt ist. In komplexen Auseinandersetzungen sind i.d.R. mehr als zwei Parteien beteiligt, einigen sich im Wege der Mediation allerdings nur zwei der Parteien, hat das Ergebnis keine Auswirkung auf eine weitere Partei.

III. Fazit

Das Mediationsverfahren hat sich in der Praxis zwar noch nicht vollständig etabliert. Allerdings ist die Tendenz steigend. Als Konfliktregulierungsverfahren hat die Mediation – nicht nur im Bereich des Bauens – größtes Potential.
Bei Fragen können Sie sich gerne an uns wenden.

Annette Kollmar
Rechtsanwältin u. Mediator
Fachanwältin f. Bau- u. Architektenrecht
Fachanwältin für Insolvenzrecht